
320 Seiten, 26 €, Kein & Aber Verlag
Von Nina George habe ich bereits Das Lavendelzimmer und Die Mondspielerin gelesen. Entsprechend erwartete ich bei ihrem neuen Roman eine ähnlich romantische Geschichte. Doch eine echte Schriftstellerin lässt sich nicht auf ein Genre festlegen: Die Passantin ist ein kraftvolles, zorniges, engagiertes Buch.
Als Hintergrund hat George das reale Drama des Germanwings-Fluges 9525 gewählt, der 2015 in den französischen Alpen zerschellte. Auf der Passagierliste – so die Fiktion – steht auch die berühmte Schauspielerin Jeanne Patou, aber sie hat heimlich das Flugzeug nicht bestiegen. Von der Welt für tot gehalten, erkennt sie die einmalige Chance, ihrem gewalttätigen, egozentrischen Ehemann Bernard zu entkommen. Gleichzeitig bedeutet dieser Schritt, alles hinter sich zu lassen: ihre Töchter, ihre Mutter, ihre Freunde. Jeanne will nicht erkannt werden und versteckt sich in einem alten Haus in Barcelona, das ein Zufluchtsort für andere Frauen ist, die Gewalt, Missbrauch und Verlust erfahren haben. In deren Schicksalen findet Jeanne sich wieder. Viereinhalb Jahre später begegnet sie auf der Rambla plötzlich ihrem Mann. Ihr wird klar: Sie muss sich stellen.
Die Passantin ist ein Roman über Emanzipation und Befreiung. Er erzählt von der Sehnsucht nach einem Neuanfang und davon, wie schmerzhaft es sein kann, sich selbst wiederzufinden.
Sprachlich und inhaltlich ist das Buch eindrucksvoll. Doch die wechselnde Perspektiven und die fragmentarische Struktur des Romans machen die Lektüre auch anstrengend. Von daher verlangt Die Passantin Geduld und die Bereitschaft, sich darauf einzulassen.