464 Seiten, 25 €, S. Fischer,
Wer hat „Eat, Pray, Love“ nicht verschlungen? Elizabeth Gilbert ist eine Erzählerin ersten Ranges. Ihr Roman „Vom Wesen der Dinge und der Liebe“ zählt zu meinen Lieblingsbüchern. Umso größer der Schock dieses Buches: Es führt in die dunkelsten Winkel von Sucht, Co-Abhängigkeit sowie körperlichem und seelischem Schmerz.
In New York begegnet Gilbert der Frisörin und Künstlerin Rayya Elias, während sie noch mit José Nunes verheiratet ist. Aus enger Freundschaft wird Liebe. Als Spätfolge jahrelangen Drogenkonsums erkrankt Rayya an Krebs und stirbt ein Jahr später. Elisabeth begleitet sie bis zu ihrem Tod.
„All the Way to the River“ ist eine Collage aus Erinnerungen an diese große Liebe, Gedichten, Gebeten, Zeichnungen und sachlichen Einschüben über Sucht. Dabei schont sich Elizabeth Gilbert selbst nicht: Sie outet sich als sex- und liebessüchtig. Nach dem Erfolg von „Eat, Pray, Love“ war sie so wohlhabend, dass sie ihr Helfersyndrom grenzenlos ausleben, sich Zuneigung erkaufen und Menschen an sich binden konnte. Erst der Sterbeprozess der Geliebten zwingt sie zur Einsicht, dass vermeintliche Unterstützung auch Manipulation und Kontrolle sein kann. Schließlich erkennt sie, dass eine dysfunktionale Beziehung enden muss, bevor man in ihr erstickt. Sie unterzieht sich einem Programm ähnlich den Anonymen Alkoholikern und bezeichnet sich inzwischen als „clean“.
Ein schonungsloser Bericht über Drogensucht, Krebserkrankung und die Co-Abhängigkeit der Autorin von ihrer sterbenden Partnerin.
Unerträglich wäre das zu lesen, wäre Elizabeth Gilbert nicht eine großartige Schriftstellerin, die selbst das Schlimmste in klare, funkelnde Sätze fasst, ohne es zu beschönigen. Wahrhaftig keine Bettlektüre, aber radikal ehrlich und zutiefst faszinierend. Überlegen Sie gut, ob Sie das lesen wollen – aber wenn ja: tun Sie es!
