Marco Meier: Inge Feltrinelli. Das erste Leben

Rowohlt, 384 Seiten, 28 €

 Manchmal schreibt das Leben selbst den spannendsten Roman – und diese Biografie über die berühmte Verlegerin und Fotografin Inge Feltrinelli ist der beste Beweis dafür. Der Schweizer Journalist Marco Meier hat genau recherchiert, basierend auf langen Gesprächen mit Feltrinelli selbst und der Nutzung zahlreicher persönlicher Dokumente. Herausgekommen ist die fesselnde Geschichte ihres Aufstiegs.

 Geboren wird sie 1930 als Inge Schönthal in Essen. Meier schildert eindrücklich, wie sie ihre jüdische Herkunft und die Kindheit im Schatten des Naziregimes erlebt. In Göttingen verbringt sie ihre Jugend, bevor sie in Hamburg durch Zufall ihre Bestimmung findet. Als Assistentin der Fotografin Rosemarie Pierer beginnt ihre Karriere, doch schnell emanzipiert sich Inge. Mit Mut, Ehrgeiz und einem untrüglichen Gespür für Motive und Menschen, ist sie bald eine der gefragtesten Fotojournalisten der 1950er-Jahre. Sie reist um die halbe Welt, porträtiert Ikonen wie Hemingway, Picasso oder Audrey Hepburn und wird zum beliebten Mittelpunkt der intellektuellen Zirkel Hamburgs. Dieses „erste Leben“ findet seinen Höhe- und Wendepunkt in der schicksalhaften Begegnung mit dem italienischen Verleger und Kommunisten Giangiacomo Feltrinelli.

 Dem Autor gelingt das Kunststück, sachlich und präzise zu schreiben und gleichzeitig eine emotionale Wirkung zu erzeugen. Ergänzt wird das durch Originaltexte und Fotos. Erstaunlich ausgespart bleibt – abgesehen vom Ende – jede Erotik. Die Fokussierung liegt klar auf der Persönlichkeit und der außergewöhnlichen Karriere.

 Mich hat diese Biografie doppelt begeistert: zum einen die sorgfältige Recherche und der Schreibstil Meiers, aber vor allem die Energie dieser jungen Frau, die sich so selbstbewusst und erfolgreich in einer Männerdomäne behauptet hat. Interessant, inspirierend und eine große Leseempfehlung!