400 Seiten, 26.-€, Diogenes
In meinem Bücherregal stehen schon einige autobiografische Bücher zum Thema Schreiben, etwa Murakamis „Von Beruf Schriftsteller“ oder Stephen Kings „Das Leben und das Schreiben. Als Autorin, wenn auch von Ratgeberbüchern, interessiert man sich doch dafür, wie die anderen es so mit der Kunst halten. Nun kommt noch das Werk des jungen Bestsellerautors Benedict Wells hinzu. Entstanden ist es als Antwort auf Fragen von Teilnehmerinnen eines Seminars und BesucherInnen seiner Lesungen, die mehr über seinen Schreibprozess erfahren wollten.
Im ersten Teil zeichnet Wells bedrückend ehrlich seinen Weg als Autor nach. Er schreibt über seine schwierige Kindheit, die manisch-depressive Mutter und ihre Aufenthalte in der Psychiatrie, den leichtsinnigen Vater, die Trennung der Eltern, seinen Aufenthalt in verschiedenen Heimen. Bücher werden seine Rettung und wecken in ihm den intensiven Wunsch, Schriftsteller zu werden. Nach dem Abitur zieht er nach Berlin und beginnt mit ebenso großer Naivität wie Beharrlichkeit seinen ersten Roman. Den Lebensunterhalt bestreitet er mit Nebenjobs.
Dieser biografische Teil hat mich besonders angerührt: Der unbedingte Glaube trotz aller Widrigkeiten an die eigenen Fähigkeiten, die einsamen Jahre in Berlin, die tiefe Verzweiflung, wenn er über eine lange Zeit immer wieder nur Absagen für sein Manuskript bekommt. Sein Glücksgefühl, dass schließlich doch ein Agent an ihn glaubt und ihn vermittelt. Als Wells über die unbändige Freude schreibt, dass ausgerechnet sein Lieblingsverlag Diogenes ihn als Autor aufnimmt, hatte ich tatsächlich Tränen der Rührung in den Augen.
In den weiteren Teilen geht es um die Entstehung eines Romans vom ersten kreativen Funken bis zur mühsamen Überarbeitung. Wells spricht über die Entwicklung von Charakteren und Dialogen, von Tempo, Kürzungen und Schreibroutinen. Er öffnet die komplette Werkzeugkiste, deren sich ein versierter Romanautor bedient. Besonders anschaulich wird das durch Verweise auf Filme und Bücher bekannter AutorInnen. Die Beispiele helfen, die Theorie des Schreibprozesses zu verstehen. Auch auf die eigenen Werke nimmt er Bezug. Die Titel seiner Romane, die ich noch nicht kannte, habe ich mir jedenfalls notiert. „Becks letzter Sommer“, „Spinner“, „Fast genial“, „Vom Ende der Einsamkeit“ und „Hard Land“.
Benedict Wells Buch gibt ausführlich Auskunft über die Mühen und Techniken des Romanschreibens. Ein trockener Ratgeber ist es trotzdem nicht, sondern eine interessante Sammlung eigener Erfahrungen. LiteraturliebhaberInnen kann es Wissen über den Entstehungsprozess vermitteln. Angehende SchriftstellerInnen wird es entweder abschrecken oder zum Durchhalten motivieren. Und alle, die das Thema interessiert, werden sich über eine anregende, wenn auch sehr ausführliche, Lektüre freuen.