Euny Hong: Nunchi. Das koreanische Geheimrezept

240 Seiten, 17,70 € , Knaur Balance

Ich finde es immer interessant, wie Menschen in anderen Kulturen miteinander umgehen. Von daher war ich auch gespannt, wie man es damit in Korea hält. Dort praktiziert man Nunchi (gesprochen „nuntschi“). Wörtlich übersetzt bedeutet das „Augenmaß.“ Darunter versteht man die Kunst, sofort intuitiv zu erfassen, was andere Menschen denken und fühlen. Auf der Basis dessen, was man beobachtet, versucht man dann, die Beziehungen zu verbessern oder die Stimmung zu heben. Bei uns im Westen würde man von „Emotionaler Intelligenz“ sprechen. Doch der Schwerpunkt liegt bei Nunchi ein wenig anders. Es beruht vor allem auf Beobachtung: Wie ist die Situation? Wie verhält sich das Gegenüber? Das wird sehr bewusst eingesetzt, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen: So kann man den richtigen Partner finden, beruflichen Erfolg erlangen, sich vor toxischen Menschen schützen und soziale Ängste reduzieren. Nunchi kann jeder lernen. Die in den USA aufgewachsene Koreanerin Euny Hong erklärt in diesem Lebensratgeber die Prinzipien und wie man sie praktisch anwendet. Dazu stellt sie die acht Prinzipien des Nunchi zusammen:

  1. Legen Sie Ihre Vorurteile ab.
  2. Der Nunchi-Beobachter-Effekt: Lernen Sie zu beobachten.
  3. Beobachten Sie, um Informationen zu erhalten.
  4. Verpassen Sie niemals die Gelegenheit, den Mund zu halten.
  5. Halten Sie sich an die Regeln.
  6. Lesen Sie zwischen den Zeilen. Die Leute sagen nicht immer, was sie denken.
  7. Wenn Sie unbeabsichtigt Schaden anrichten, ist das manchmal so schlimm, als hätten Sie es absichtlich getan.
  8. Seien Sie flink und schnell.

Beim Lesen war ich hin- und hergerissen: Auf der einen Seite bewundere ich die Feinfühligkeit, die Nunchi auszeichnet. Man lernt, zwischen den Zeilen zu lesen und Reaktionen zu deuten. Mehr davon stünde uns im Westen gewiss gut an. Gleichzeitig hat das aber auch einen manipulativen Aspekt. Schließlich dient es nicht nur dem Verständnis untereinander, sondern auch der Beeinflussung. Manches ließe sich auch bei uns wegen der kulturellen Unterschiede gar nicht umsetzen. Zum Beispiel käme eine zu große Zurückhaltung in unseren Breitengraden als arrogant oder unehrlich an.

Jedenfalls inspiriert das Buch zu mehr Einfühlungsvermögen und gibt einen interessanten Einblick in die asiatische Denkweise.