320 Seiten, 23,99 €, Ullstein
Haben Sie schon mal vergeblich versucht, Ihr Gegenüber mit guten Argumenten davon zu überzeugen, dass es falsch liegt? Oder sind Sie umgekehrt stur nicht von Ihrer Meinung abgewichen? Der Neurologe, Psychiater und Hirnforscher Philipp Sterzer erklärt, warum das so ist und welche Schlüsse wir daraus ziehen können. Er geht der Frage nach, inwieweit unsere Überzeugungen rational begründet sind und welche Kriterien bei der Konstruktion unseres Weltbildes eine Rolle spielen. Dabei greift er auf wissenschaftliche Theorien und Hypothesen zurück. Im ersten Teil „Irrationalität“ geht es darum, wie rational wir eigentlich sind. Anhand verblüffender Beispiele belegt der Autor, wie schmal der Grad zwischen Wahn und Wirklichkeit ist. Wahnhafte Überzeugungen kommen auch bei Gesunden vor, und meist überschätzen wir unsere eigene Rationalität.
Im 2. Teil mit dem Titel „Die Vorhersagemaschine“ erfährt man, warum Überzeugungen so eine unsichere Angelegenheit sind. Kern ist das „Predictive Processing“, also eine vorhersagende Verarbeitung im Gehirn. Eines ihrer Erscheinungsformen ist z.B. die optische Täuschung. Ferner das Phänomen der Bestätigungstendenz. Überzeugungen sind immer nur Hypothesen, die sich auch als falsch herausstellen können.
Im Epilog streift Sterzer dann noch aktuell Überzeugungen in Zeiten der Pandemie. Hier erhebt er den Zeigefinger: Man solle sich nicht damit abfinden, dass Menschen nun mal zu irrationalen Überzeugungen neigen. Einen Hoffnungsschimmer geben Studien, die belegen, dass auch wahnhafte Überzeugungen nicht gänzlich unverrückbar sind. Wir alle brauchen laut Sterzer eine „Kultur der Unsicherheitstoleranz“.
Obwohl der Autor auch für Laien verständlich schreibt, ist das Buch inhaltlich herausfordernd. Es verlangt, dass man sich intensiv mit den Theorien und Hypothesen befasst. Für alle, die das Thema interessiert und die bereit sind, sich intensiv auf die Lektüre einzulassen.