Katja Suding: Reissleine. Wie ich mich selbst verlor und wiederfand

256 Seiten, 22.-€, Herder

Als Hamburgerin ist mir der Name Katja Suding natürlich bekannt. Ich erinnere mich an Wahlplakate mit ihrem Gesicht. Und ich habe auch mitbekommen, dass sie nach Berlin gegangen ist. Doch was mich an ihrem autobiografischen Buch zunächst vor allem interessierte, ist die Chance, einmal einen Blick hinter die Kulissen des Politikbetriebes zu werfen, besonders aus der Perspektive einer Frau. Der Titel „Reißleine“ klingt energisch – was steckt wohl an Frust dahinter?

Ein Enthüllungsbuch im Sinne von „Jetzt rechne ich ab!“ ist es jedenfalls nicht. Katja Suding beschreibt zwar die Anfeindungen unter ParteigenossInnen, aber auch die Freude an der Gestaltung und den Stolz, eine wichtige Position zu bekleiden. Das ist verwoben mit persönlicher Befindlichkeit und starken Emotionen. Obwohl Katja Suding als Autorin der Spagat zwischen Offenheit und Distanz gelingt, habe ich doch zwischendurch beim Lesen gedacht: Muss dieser Egotrip wirklich sein? Wie eitel ist eine Selbsttherapie coram publico? Was treibt tatsächlich immer mehr erfolgreiche Frauen, ihre persönliche Entfaltung der Öffentlichkeit mitzuteilen? Doch spätestens in den letzten Kapiteln leuchtet mir die Bedeutung ein: Katja Sudings Ringen um Entwicklung und Freiheit ist exemplarisch. Die Ehrlichkeit und Genauigkeit, mit der sie darüber schreibt, macht den inneren Konflikt für Menschen in ähnlichen Situationen nachvollziehbar und kann ihnen zum Vorbild werden. Ein interessantes, lesenswertes Buch.