Judith Hermann: Daheim (Roman)

188 Seiten,  21.- € , S.Fischer

In einer TV-Sendung über Bücher waren sich die Gäste einig: Judith Hermann hat ein literarisches Meisterwerk verfasst. Das machte mich neugierig. Die Geschichte ist schnell erzählt: Die namenlosen 47jährige Ich-Erzählerin ist aus der Stadt weggezogen und lebt nun allein in einem kleinen Haus an der Küste. Sie arbeitet als Kellnerin in der Touristenkneipe ihres Bruders. Allmählich freundet sie sich mit ihrer Nachbarin Mimi an, einer Künstlerin. Deren wortkarger, eigenbrötlerischer Bruder Arild betreibt auf dem benachbarten Bauernhof eine Schweinezucht. In Rückblicken erinnert sich die Protagonistin an ihre dreißig Jahre zurückliegende Begegnung mit einem Zauberer, der sie als Assistentin für seine Show auf einem Kreuzfahrtschiff nach Singapur engagieren wollte. Damals hatte sie sich anders entschieden, hatte geheiratet, eine Tochter bekommen und sich später von ihrem Mann getrennt.

 Von einer Handlung kann man in diesem Roman nicht wirklich sprechen. Judith Hermann stellt ein Ensemble von Einzelgängern vor, die kontaktarm und scheu nebeneinander leben. Und dabei kommt zum Tragen, was die TV-Gäste so begeistert hat. Sie zeichnet Bilder von unglaublicher Genauigkeit. Literarisch bildet sie die Kargheit der Landschaft und den spröden Umgang der Menschen miteinander genial ab. Als LeserIn ist man dadurch wie in einem Film mittendrin. Nur dass dieser Film so wenig berührt wie ein intellektueller Autorenfilm. Hermanns Buch ist ein Kunstwerk, ein Genuss für Literaturliebhaber. Aber kaum für diejenigen, die von einem Roman auch Unterhaltsames verlangen.