Hubertus Meyer-Burckhardt: Diese ganze Scheiße mit der Zeit. Meine Entdeckung des Jetzt

189 Seiten, 19,99 €, Gräfe und Unzer

 Wäre dies eine chronologische Biografie, sähe sie in Kurzform so aus:  Geboren am 24.7.1954 in Kassel. Der alkoholkranke Vater verlässt die Familie, die Mutter zieht das Kind allein auf. Nach einer ungeliebten Schulzeit Studium der Geschichte und Philosophie in Berlin, später an der Hochschule für Fernsehen und Film in München. Arbeit in großen Werbeagenturen. Filmproduzent mit eigener Produktionsfirma. Zwischenspiel im Vorstand der Axel-Springer-AG. Professor an der Hamburg Media School. Charmant-einfühlsamer Moderator der NDR-Talkshow und einer beliebten Radiosendung.

 Das wäre mit Sicherheit eine schöne Erfolgsstory. Aber dieses Buch ist keine übliche Biografie, es ist eine philosophische Betrachtung über die Vergänglichkeit anhand des eigenen Lebens. Und da geht es eben nicht nur um den Glanz im Rampenlicht oder die beachtliche Karriere, sondern um Herz und Seele, um das, was einen Menschen ausmacht. Darauf kommt der Autor nicht von ungefähr. Auslöser für sein Betrachtungen ist eine Krebserkrankung, die wie ein Damoklesschwert über ihm hängt. Sie führt zur Rückschau auf sein Leben bis in die Kindheit: Was hat die bisherige Zeit enthalten, was wird sie in Zukunft bringen?

 Meyer-Burckhardt ist von beeindruckender Ehrlichkeit. Zuzugeben, dass so mancher Karriereschritt nur Kompensation für frühe Verletzungen ist, muss man sich erst mal trauen. Dass das an keiner Stelle larmoyant oder peinlich ist, liegt an dem literarischen Geschick des Autors. An einer Stelle sagt er: „Wenn Sie eine Talkshow moderieren, dann hat Ihnen der liebe Gott sowohl die Kunst des Verbindlichen als auch des Unverbindlichen geschenkt.“ Diese Kunst zeigt sich auch hier: Hubertus Meyer-Burckhardt zeigt ungeschönt seine Verletzlichkeit, bleibt aber trotzdem auf Distanz, auch dank Humor und Eleganz. Ich habe das Buch in einem Zug gelesen. Es geht unter die Haut.